Veter i volny – Jugendaustausch zur See

von Riga nach St. Petersburg auf der Roald Amundsen

Als ich das erste Mal von dem deutsch-russischen Austausch zur See gehört habe, fand ich es eine geniale Idee und habe mir damit einen weiteren Punkt auf meine To-Do-Liste geschrieben. Nun, zwei Jahre später, sollte dieser Punkt abgehakt werden. Direkt nach der Anmeldeeröffnung habe ich mich zu dem diesjährigen Sommerprojekt angemeldet und bin vom 22.08.2018 bis 01.09.2018 im Rahmen vom Jugendaustausch veter i volny von Riga nach St. Petersburg gesegelt.

Nachdem wir Teilnehmer uns schon zwei Tage in Riga kennen lernen durften und die Aufregung immer weiter stieg, ging es am 22.8.2018 an Bord. Die Stammcrew stand schon an Deck bereit und sobald alle Teilnehmer an Bord waren, gab es das erste All-Hands dieses Törns. Die Wachen wurden eingeteilt und anschließend wurde in den Wachen ins Schiff eingewiesen. Dadurch, dass die Roald nicht ganz so groß ist, konnte ich mich schon innerhalb kürzester Zeit unter und über Deck zurechtfinden. Um die ganzen neuen Eindrücke verarbeiten zu können, wurde der erste Abend an Bord entspannt ausgeklungen.

Am nächsten Morgen wurde dann alles für das Ablegemanöver vorbereitet. Die Riggeinweisung durfte genauso wenig fehlen wie das Segelauspacken. Schließlich sollte unter Segel abgelegt werden und die Steuermann-Anwärterin durfte dieses doch besondere Ablegemanöver anleiten. Trotz richtungsänderndem Wind hat das Manöver einwandfrei funktioniert und wir sind langsam von Riga und somit auch dem Festland weggesegelt.

Was nun folgt, sind wunderbare Tage auf See. Der Wachalltag hält uns alle ein wenig vom Schlafen ab, denn es ist doch ein wenig spannender oben an Deck Segel zu setzen als zu schlafen. Ich verbringe viel Zeit an Deck, um die wachhabenden Wachen zu unterstützen, dabei mit den Menschen in Kontakt zu kommen und gleichzeitig eine Menge vom Schiff zu lernen. Die Stammcrew beantwortet jede erdenkliche Frage, auch gerne mehrmals und ich bin begeistert von der Geduld, die gezeigt wird.

Während der Backschaft habe ich das erste Mal die Möglichkeit an Bord eines Traditionsseglers zu kochen. Die Freiheit, die unser Schiffskoch uns während der Backschaft lässt, hat viele leckere Kuchen zur Folge. Gleichzeitig lässt die Backschaft einem die Möglichkeit, mit vielen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen, mit denen man sonst weniger Zeit verbringt. Und da russische und deutsche Teilnehmer an Bord sind, gibt es für jeden neue Gerichte zu probieren. Es wurde sogar speziell für diesen Törn ein russisches Kochbuch gekauft, damit sich die russischen Teilnehmer wie zu Hause fühlen.

Die Abende nach der Wache werden oft in der Messe verbracht, in der immer irgendwer Gitarre spielt oder anderweitig künstlerisch unterwegs ist. Deutsche Seemannslieder wechseln sich mit russischen Schlagern und am Ende können auch wir deutschen Teilnehmer die ersten Refrains mitsingen.

Auf der Mitte des Weges legen wir noch einmal an. Der Wind steht gut und wir liegen gut im Zeitplan. Wird es nun Finnland oder Estland? Ich, die schon seit langer Zeit einmal nach Tallin reisen möchte, hoffe auf Estland – und siehe da, im All Hands wird berichtet, dass wir in Tallin anlegen dürfen. Damit der Aufenthalt an Land und auch dieser Jugendaustausch zu etwas noch besonderem wird, legt die Roald rückwärts an. Zwei Dinghis helfen uns zu drehen und schieben uns auch mal ein Stückchen nach links oder rechts.
Nach diesem Landaufenthalt habe ich das Gefühl, dass die Gruppe noch mehr zusammen gewachsen ist. Vielleicht liegt es daran, dass wir für kurze Zeit nicht auf einem Schiff waren, sondern über mehr als 50m verteilt waren. Vielleicht liegt es aber auch am Popcorn, das wir zusammen im Hafen gepoppt haben und uns doch einige seltsame Blicke von Passanten einbrachte.

Die Reise geht weiter, die nächste Backschaft steht an und es wird Kartoffelbrei für die gesamte Besatzung gestampft. In den letzten Zügen der Generatorzeit wird ein Apfelkuchen fertig und ich bin froh, wieder an Deck zu sein, wo meine Wache inzwischen Vollzeug gesetzt hat. Nach und nach klettert jede Wache in die Vortopp-Wanten und es wird ein etwas anderes Gruppenbild vom Dinghi aus geschossen. Danach heißt es, alle Segel bergen und packen, segeln wird wohl nicht mehr möglich sein.

Während der letzten Seewache wurden dann aber doch noch einmal alle Segel ausgepackt, da wir von den russischen Behörden die Erlaubnis bekommen haben noch Sail Training zu machen. Es war ein wenig enttäuschend, die ganzen Segel auszupacken und dann Wach frei zu haben. Wie gut, dass auch Friends immer gerne an Deck gesehen werden. Im All-Hands wurden einige Halsen, und als die gut klappten, auch eine Wende gefahren, bevor wir zurück an unseren Ankerplatz mussten, um auf den Lotsen zu warten, der uns sicher in den Hafen von St. Petersburg bringen sollte.

Inzwischen waren die Vorbereitungen für das Captains Dinner im vollen Gange: Lieder wurden umgeschrieben, Choreographien einstudiert und einige Geheimnisse vom Dinner-Komitee gewahrt. Die Vorspeise gab es noch mit Gurt an Deck, den Rest des 3-Gänge-Menüs unter Deck und in entspannter Atmosphäre. Das Unterhaltungsprogramm gab es anschließend an Deck:

Come on let’s Sail again
sail again next summer,
come on let’s sail again
sail again next year – Der Beitrag von Wache zwei wurde später auch in St. Petersburg immer wieder gesungen und ich vermute, einige bekannte Gesichter wieder zu sehen, wenn ich dann nächstes Jahr als Teamer mit an Bord gehe.

Da wir den Lotsen mitten in der Nacht an Bord bekamen, ging das Dinner nicht allzu lange und um vier wurde ich wieder geweckt, da man die ersten Lichter von Piter sehen konnte. Der erste Blick auf St. Petersburg war atemberaubend schön. Wir lagen mitten in der Stadt und konnten so alles gut erreichen, hatten aber gleichzeitig auch einen einzigartigen Blick auf die Stadt.

(c) Kerstin Berke

Die Roald Amundsen hafenfein in St. Petersburg

Die zwei Tage an Land habe ich gebraucht, um mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass jetzt wirklich alles vorbei ist. Ich habe viele tolle Leute kennen gelernt, von denen ich viel gelernt habe. Da darf der Abschied auch einmal schwer fallen, auch wenn man sich an sich erst zwei Wochen kennt.

Mir haben die zwei Wochen auf der Roald Amundsen ungemein gefallen und ich werde definitiv noch einmal mitsegeln, ob bei veter i volny als Teamer oder auf anderen Törns als Stammcrew auf der Roald ist noch offen. Für mich war dieser Austausch nicht nur ein Jugendaustausch, sondern auch ein Schiffaustausch – bisher bin ich nur als Stammcrew auf der Alexander von Humboldt 2 gesegelt. Daher gab es auch einen Austausch zwischen Stammcrew und Stammcrew und viele spannende Gespräche, die sonst nicht zustande gekommen wären.

Das Projekt veter i volny bietet interkulturelle Verständigung auf einem Segelschulschiff. Die Jugendlichen überwinden dabei gemeinsam persönliche, soziale und strukturelle Grenzen. Finanziell gefördert wird das Jugendaustauschprojekt Veter i Volny von der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch gGmbH, der Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg, von Rosmorport und dem Tall-Ships Friends Deutschland e.V. Organisiert und durchgeführt wird das Projekt von ehrenamtlichen Mitarbeitern und Teamern des deutsch-russischen Begegnungszentrums, der NGO Interra und MitOst Hamburg e.V. sowie der Stammcrew der Brigg Roald Amundsen.

Die Sail Training Association Germany ist der deutsche Zusammenschluss von Segelschulschiffen. Die S.T.A.G. unterstützt Teilnehmer von Jugendprojekten finanziell im Rahmen eines gezielten Jugendförderprogramms. Insbesondere Schülerinnen und Studenteninnen ermöglicht die finanzielle Unterstützung die Teilnahme an den ansonsten recht kostspieligen Seereisen. Da ich selbst momentan noch studiere und unter 27 bin, wurde meine diesjährige Reise auf der Roald Amundsen nach St. Petersburg finanziell durch die S.T.A.G. gefördert.

 

 

 

Internet

Internet zu haben ist zum einen ein Fluch und zum anderen ein Segen. Während der ersten paar Wochen gab es nur wenige Tage Internet zu Hause. Dadurch habe ich die Zeit sehr viel sinnvoller genutzt: gelesen, mich auf mein Studium konzentriert. Ich war produktiver, würde ich sagen. Aber dann kam das Internet wieder. Auf einmal saß man wieder vor dem Laptop, wusste gar nicht genau, was man im Internet machen sollte. Vorher gab es nur Internet an der Uni und da musste die Zeit zwischen den Vorlesungen sinnvoll gefüllt werden und es wurde nur das wirklich wichtigste erledigt.

Ein bisschen weniger Zeit verbringe ich schon im Internet. Mich hat aber meine Reaktion geschockt, als es kein Internet mehr gab. Ich wusste gar nicht wirklich, was ich nun machen sollte. Gut, am Anfang hat die Uni nicht einmal angefangen gehabt und ich hatte nichts zu tun. Aber dann, langsam und stetig, wusste ich auf einmal, was man auch ohne Internet tun kann. So schlecht war es gar nicht.

Vielleicht sollte ich öfter Internet-freie-Tage einrichten.

Wieso stört es mich überhaupt nicht, kein Internet auf See zu haben?

Neuanfang

Da sitze ich nun in meiner neuen WG. Es ist ein schöner Altbau sehr zentral geworden. Die Mitbewohner durfte ich mir aussuchen. Mal schauen, wie wir uns zurechtfinden werden.

Nachdem ich nun vier Jahre in meiner Bachelor-Stadt gewohnt habe, wohne ich seit einer Woche in meiner Master-Stadt. Und ich kenne niemanden. Das ist ein wenig frustrierend. Nachdem alle Möbel aufgebaut und alle Kisten ausgepackt sind, kann man zwar das neue Zimmer genießen. Doch irgendwie fehlt der Kontakt zur Außenwelt. Ich versuche jeden Tag raus zugehen. Aber mit Regen und warten auf die Post lernt man doch niemand Neuen kennen.

Nach einer Woche nichts-tun freue ich mich nun darauf, dass die Uni anfängt. Da wird es Menschen geben. Ich kann mich über die Freizeitaktivitäten an der Uni informieren… und dabei endlich Menschen kennen lernen. Alleine sein ist das Schwerste am Neuanfang. Alles muss sich neu erarbeitet werden. Vor allem die Freundschaften. Alles andere hingegen ist einfach und gar nicht so wichtig.

Ich bin gespannt, wen ich treffen werde. Wie die Vorlesungen sein werden. Wie viele überhaupt im Kurs sind und was sich hier außerhalb des normalen Unterrichtes alles machen lassen kann.

Wohnungssuche

30-60 Minuten. Viele verschiedene Fragen. Und alle sind daraus ausgerichtet, zu erfahren, wie ich als Mitbewohnerin bin. Gehe ich aus? Lieber in eine Bar, einen Club oder in eine Disco? Was höre ich für Musik? Bin ich ordentlich? Brauche ich lange im Bad?

Aber wie sind eigentlich die aktuellen Bewohner so drauf? Sind sie mir sympathisch? Sind alle anwesend? Oder fehlt die Hälfte? Wie ist die Begrüßung? Wie die Verabschiedung? Finde ich die Wohnung gemütlich, steril oder unordentlich?

30 Minuten sind eine kurze Zeit um eine Entscheidung zu treffen. Danach lebe ich, wenn alles gut geht, mit den Menschen zusammen. Teile mir Bad, Küche und Wohnzimmer mit ihnen. Was, wenn der erste Eindruck sich als falsch herausstellt?

Ja, ich bin auf Wohnungssuche, speziell auf WG Suche. Alleine Wohnen möchte ich dann doch nicht. Vor allem nicht in einer mir fremden Stadt.
Es gibt aber so viele verschiedene Möglichkeiten zu wohnen, dass es mir fast unmöglich scheint, mich zu entscheiden. Darf es ein Altbau sein? Ein Neubau? Eine große oder kleine WG, gemischt oder nur Frauen. Großes oder kleines Zimmer. Doch am Ende liegt es auch an der WG. Und an meinem Bauchgefühl, dass ich während der Besichtigung hatte.

Exam Nerves

People are staring at me, would like to hear me. And I can’t get a word out of my mouth. Do I really want that? Or ought I search for an alternative? Am I good enough? Am I able do succeed? This exam will decide my future! I can’t fail, am not ALLOWED to fail.

Written exams are OK. If I have studied enough, I can just write down the answers, don’t have to look into anyone’s eyes and can go, whenever I am finished. Or can skip a question, when I don’t have a clue – and nobody notices.
But oral exams, two to three people are looking at me, like to calm me down, get all the knowledge out of my mouth. That’s how it feels like for me. You can see the immediate reaction to the answer in their faces, just a few people I can’t read. You get insecure, start stuttering, drink a sip of water to calm down. It’s all right again and after 20min the exam is over.

I am glad, that the only oral exam this semester is Spanish. I already had a one-to-one lesson with this teacher, the exam will be good. And I know Spanish. But would it be an examination for a certificate, I would scream, run in circles and would get crazy – inside of course. Outside I am calm.

Prüfungsangst

Die Menschen starren mich an, wollen mich hören. Und ich bekomme kein Wort heraus. Will ich das wirklich? Oder suche ich lieber nach einer Alternative? Bin ich Gut genug? Kann ich das überhaupt schaffen? Diese Prüfung entscheidet meine Zukunft! Ich kann nicht durchfallen, DARF nicht durchfallen.

Schriftliche Prüfungen sind noch in Ordnung. Wenn ich gut genug gelernt habe, kann ich einfach die Antworten aufschreiben, muss niemandem in die Augen schauen und kann gehen, wenn ich fertig bin. Oder eine Frage überspringen, wenn ich keine Ahnung habe – und es fällt keinem auf.
Aber mündliche Prüfungen, zwei bis drei Leute schauen mich an, wollen mich aufmuntern, mir das Wissen aus dem Mund saugen. So kommt es mir vor. Man kann die Reaktion auf die Antwort sofort im Gesicht ablesen, nur bei wenigen Menschen funktioniert das nicht. Man wird unsicherer, stottert, trinkt einen Schluck Wasser zur Beruhigung. Es geht wieder und nach spätestens 20min ist die Prüfung vorbei.

Ich bin froh, die einzige mündliche Prüfung dieses Semesters in Spanisch zu haben. Ich hatte bei der Professorin schon Einzelunterricht, das wird schon klappen. Und Spanisch kann ich auch. Wenn es aber eine Zertifikatsprüfung wäre, würde ich mich im Kreis drehen und verrückt werden.